Verfassungsbeschwerde gegen den Ärztevorbehalt in der NiSV eingereicht
8 Mrz
Rechtsgutachten der DEGEUK e.V. zeigt Verstoß gegen die Berufsfreiheit auf
Kurz vor dem Inkrafttreten der NiSV haben 15 namhafte Branchenvertreter aus dem Bereich der professionellen Dienstleistungskosmetik unter Führung der Deutschen Gesellschaft für EU-Konformität e.V. (DEGEUK) ein Rechtsgutachten bei einer Münchener Großkanzlei, spezialisiert auf Verwaltungsrecht, in Auftrag gegeben. Die beteiligten Juristen befanden, dass die „Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen“ (NiSV) gegen zahlreiche Vorschriften der Verfassung verstößt. Von den Ärztevorbehalten besonders schwer betroffene Mitglieder der DEGEUK haben am 3. März 2021 Verfassungsbeschwerde erhoben.
„Die Verordnung ist dermaßen komplex, dass selbst erfahrene Juristen ohne Hilfe von Sachverständigen die Materie kaum vollständig durchdringen können“, sagt Heinz Freier, der langjährige Präsident der DEGEUK.
„Wir können es nicht zulassen, dass wesentliche Tätigkeitsfelder des Kosmetiker-Gewerbes heimlich und leise einfach vom Verordnungsgeber einer anderen Berufsgruppe, den Ärzten in Deutschland, zugeordnet wird. Immerhin garantiert das Grundgesetz generell Berufsfreiheit für alle“, meint Freier. Die Berufsfreiheit gelte zwar klar auch für Ärzte. Kosmetikerinnen und Kosmetiker dürften aber allein deswegen nicht benachteiligt werden. Schließlich seien beide Berufsgruppen auch in der Vergangenheit schon langjährig in den in der NISV aufgeführten Bereichen professionell tätig gewesen.
Die NiSV hatte mit Wirkung zum 01.01.2021 zahlreiche kosmetische Tätigkeiten unter Arztvorbehalt gestellt. Dabei haben wissenschaftliche Studien klar nachgewiesen, dass es eher im Ärztebereich zu Schadenfällen gekommen war als unter der Berufsgruppe des Kosmetiker-Gewerbes (1). Die NiSV regelt den sicherheitspräventiven Betrieb von Geräten und Anlagen mit nichtionisierenden Strahlungsquellen und Schall – z.B. Laser, hochenergetische Blitzlampen und Ultraschall -, die zu kosmetischen oder sonstigen nichtmedizinischen Zwecken eingesetzt werden. Diese Tätigkeiten dürfen allerdings nicht verwechselt werden z.B. mit der Anwendung von (ionisierender) Röntgenstrahlung am Menschen in der Heilkunde, die wiederum unter andere Gesetze und Verordnungen zugunsten der Ärzteschaft fällt.
„Den Begriff ‚kosmetische und sonstige nichtmedizinische Zwecke‘ verwendet sogar die NiSV“, sagt Heinz Freier, „also warum sollte man diesbezügliche Behandlungen dann ausschließlich der Ärzteschaft übertragen, zumal wenn es gut läuft“?
„Fachkunde muss sein, und man muss sich darauf verlassen können“, weiß Heinz Freier. Und genau hier habe das Kosmetiker-Gewerbe gerade in letzter Zeit gewaltig zugelegt. 2015 z.B. ist eine neue bundesweite Verordnung in Kraft getreten, wonach alle Kosmetiker/-innen einen Meistertitel in der Kosmetik erwerben können, mit umfassender Vorbereitung, lebenslangem Weiterlernen und zahlreichen modernisierten Tätigkeitsbildern.
Auch das neue Strahlenschutzrecht setzt in der NiSV auf anerkannt nachgewiesene Fachkunde, übrigens bei sämtlichen gewerblichen Anwendern von nichtionisierender Strahlung am Menschen. Lediglich bei der Anerkennung der genauen Voraussetzungen für den Betrieb der betroffenen Anlagen tut sich die bundesdeutsche Bürokratie noch schwer: sie gibt es noch nicht wirklich (2).
Dennoch jetzt große und angestammte Tätigkeitsfelder der Kosmetik ausschließlich an die Ärzteschaft zu übertragen, die ohnehin mit den gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie derzeit mehr als ausgelastet ist, sei weder hinnehmbar noch erforderlich.
„Hier wurde die Grenze der Berufsausübungsfreiheit eindeutig überschritten, deshalb klagen wir auch“, sagt Heinz Freier.
Zur Gruppe der Branchenangehörigen, die hinter der Verfassungsbeschwerde stehen, gehören u.a. folgende Namen: Amaderm, German Medical Beauty Academy, Hairfree, Klapp Cosmetics, Kosmetiker-Innung Hannover, Lailique, MBC Medical Bio Care, Müller German Beauty Tech, Semaco Sun Sky, Senzera, SEVEN-COS, SunUp und Tech4beauty.
(1) Die Studie des Bundesamts für Strahlenschutz „Nebenwirkungen bei der Anwendung optischer Strahlung in der Kosmetik“ kommt zu folgendem Ergebnis: „Bei Ärzt/Innen verliefen 24 % der Anwendungen mit bleibenden Nebenwirkungen. Bei nicht-ärztlichen Anbietern betrug dieser Anteil nur 7 %. […].“
(https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2018071915615/3/BfS_2018_3616S82432.pdf)
(2) Auskunft des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), Berlin
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